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Schächt-Debatte: Offener Brief an Rabbiner Hofmeister

30.07.2018

RespekTiere.at: Offener Brief an Rabbiner Schlomo Hofmeister

Vorbemerkung: Aufgrund der aktuell wieder in verschiedenen Medien geführten „Schächt-Debatte“ leiten wir hier diesen offenen Brief der Tierschutz-Organisation „RespekTiere“ weiter, dem wir uns vollinhaltlich anschließen können. Sind doch eben diese Orga und ANIMAL SPIRIT in Österreich die beiden einzigen relevanten Tierschutzvereine, die sich seit Jahren offen gegen diese archaische und bestialische Tierquälerei – aus angeblich „religiösen Gründen“ – aussprechen. Alle anderen Vereine halten sich bei diesem Thema aus Gründen der angeblichen „politischen Korrektheit“ und aus Angst, reflexartig ins „rechte Eck“ gestellt zu werden, nobel zurück…

„Antisemitische Reflexe“ zur Schächtdebatte?
Hochverehrter Herr Rabbiner Hofmeister! Der Grund unseres Schreibens ist folgender: Die aktuelle Schächtdebatte in Österreich ist nicht zuletzt aufgrund Ihres Beitrages, und dafür sind wir dankbar, einmal mehr in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Wir denken das ist eher nicht in Ihrem Interesse, denn in Bezug auf das Thema 'Schächten', dürfte es Ihnen doch um sehr vieles lieber sein, wenn die Öffentlichkeit dazu tunlichst in Schweigen verharrt - trotz oder gerade wegen einer vermutlich breiten Mehrheit, welche sich eine Verschärfung derzeit geltenden Rechtes wünscht. Jedenfalls behaupteten Sie in einem Interview mit der Zeitung ‚Österreich‘ folgendes (siehe HIER): „Mittels eines extrem scharfen Messers wird der Schnitt unterhalb des Kehlkopfes gesetzt. Innerhalb einer Zehntelsekunde ist das Tier bewußtlos. Im Unterschied zu nicht koscheren Schlachtungen wird das Tier nicht erstickt. Beim Ausbluten hat es keinerlei Bewußtsein mehr…“

Dann erfahren wir von Ihnen, einen Todeskampf kann es bei jüdischen Schächtungen nicht geben. Nur noch Nervenreflexe sind möglich. Weiters werten Sie die - aus unserer Sicht sehr berechtigte und zunehmend laute - Forderung nach einem generellen Schächtverbot als „neuen Versuch, jüdisches Leben einzuschränken. Wir kennen das seit der Römerzeit, daß versucht wurde, über Schächtungsverbote jüdisches Leben zu vertreiben.“ Dies sei „ein Eingriff in die Religionsfreiheit und eine unehrliche Debatte. Wenn es um Tierwohl ginge, müßte es auch um Gatterhaltung und die quälende Erstickung von Schweinen vor ihrer Schlachtung gehen.“

So weit, so gut; dazu gibt es aber ein paar Überlegungen, welche Sie in Ihren Ausführungen vielleicht so nicht bedacht haben; ein Beispiel: Bei einem Treffen mit dem Imam Dipl. Ing Tarafa Baghajati von der Islamischen Gemeinschaft im Dezember 2016 hörten wir ganz ähnlichen Bekundungen. Tiere wären nach dem Schächtschnitt sofort tot, würden Geringstmögliches vom Tötungsvorgang selbst spüren. OK, sagten wir damals, Sie, Herr Imam Baghajati, haben unsere Zusage; wir werden jegliche Debatte zur Thematik sofort beenden, wenn wir uns mit eigenen Augen von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen, also einer solchen religiösen Schlachtung beiwohnen dürften. Dies wurde in Aussicht gestellt, es müßte hierfür allerdings noch bei Ihnen, Herr Rabbiner Hofmeister, um eine diesbezügliche Erlaubnis angefragt werden. Fast selbstredend kam das weitere Treffen zum grimmigen Anlaß niemals zustande, und nicht nur das, nie hatten wir weder von Herrn Baghajati noch von Ihnen auch nur eine Absage gehört. Da werden Erinnerungen wach; im April 2006 durfte ich ein langes Interview mit dem Präsidenten der Israeltischen Kultusgemeinde in Salzburg, Herrn Marko Feingold, führen (nachzulesen unter www.respektiere.at/comatix_news.php?newsid=783). Dabei erzählte der inzwischen 105-Jährige, übrigens Österreichs ältester Holocaust-Überlebender, ebenfalls davon, daß Tiere beim Schächten sofort tot seien und keinen Augenblick leiden würden. Ich antwortete damals, ich hätte anderes mit eigenen Augen gesehen, aber ich würde mich gerne davon überzeugen lassen, daß dies bei einer jüdischen Schlachtung in Österreich anders wäre. ‚Kein Problem‘, erwiderte der sympathische ältere Herr. Leider aber war der Präsident für uns in Folge nicht mehr zu erreichbar, sodaß auch in diesem Falle nie ein Termin festgesetzt werden konnte (wir antworteten nach dem Nichtzustande-Kommen weiterer Gespräche nach vielen Versuchen und langem Zuwarten 6 Monate später mit einer Kundgebung vor der Israelitischen Kultusgemeinde, was prompt zu einer völlig überzogenen Anzeige beim Staatssicherheitsdienst führte…).

Nun werden wir also wieder um einen Termin für das Beiwohnen einer Schächtung anfragen; Herr Rabbiner, Sie, der Sie sich so sicher sind in der Sache, können dabei alle Vorurteile gegen das Schächten ausräumen und nicht nur das - stellt sich Ihre nun öffentlich getätigte Darstellung als tatsächlich richtig heraus, werden wir keine Sekunde zögern, das Schächten danach in unseren Publikationen als allgemein beste Schlachtungsform zu erwähnen. Wenn dem Tier zuvor keinerlei Ängste zugefügt werden, wie zum Beispiel das Nicht-Mitansehen-Müssen vorhergehender Schlachtungen, weiters kein Hinweis auf die folgende Tat zu erahnen ist (laut Heiligen Büchern darf bis zum letzten Augenblick kein Messer sichtbar sein) und die Bewußtlosigkeit dann in der Tat bereits nach einer Zehntelsekunde eintritt, so wäre es eine für jegliche arme Tiere sicher bessere Aussicht, als sie selbst im allerbesten konventionellen Schlachthof zu erwarten ist. Sie können Ihrer Sache mit einer Einladung also nur Gutes tun!

Wie Sie sich denn die Aufregung wegen des Schächtens erklären, wollte die Zeitung im besagten Interview noch von Ihnen wissen. Die Antwort? Raten wir mal. „Antisemitische Reflexe entziehen sich jeder Erklärung.“ Der Satz steht im Raum, unverrückbar. Ein Satz, oft gehört, der in vielen Situationen leider passend ist, gar keine Frage. Wir entschuldigen uns an dieser Stelle auch von ganzem Herzen für Ewiggestrige und wissen natürlich, daß die angesprochene Thematik unfaßbarer Weise immer noch eine aktuelle ist. Nicht zuletzt, weil das betäubungslose Schlachten dann aber nicht nur jüdische Mitbürger betrifft, sondern im selben Maße auch muslimische (und alleine von der Anzahl der Gläubigen wohl noch viel stärker), versackt der Vorwurf dort, wo er hingehört – im Matsch des Polemischen. Anzumerken wäre hierzu wohl nur, daß die Bereitschaft zur Betäubung vor dem Schächtvorgang bei muslimischen Menschen wesentlich gegebener ist, als es die Israelitische Kultusgemeinde je zulassen würde.

Es muß einfach einmal gesagt werden: die leidige Antisemitismus-Keule bei jeglicher kleinsten Kritik (wobei ‚Schächten‘ aus Tierschutzsicht schon ein sehr großes Kaliber ist) sollte einmal eingepackt bleiben, in einem derartigen Zusammenhang mag sie niemand mehr hören und hat sie auch absolut keine Berechtigung; im Gegenteil, an dieser Stelle ist sie sogar eine echte Beleidigung. Warum? Weil hier Sie es sind, welcher Menschen mit ehrlicher Absicht, nämlich jener den Tieren bestmöglichen Schutz zu gewähren, höchst unehrenhafte Beweggründe unterstellt. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? Sollte Sie tunlichst tun, denn solch schwere Vorwürfe unreflektiert auf alle Menschen auszuschütten, besonders auf solche, welchen selbst bei loser Betrachtung so überhaupt gar nichts von den von Ihnen angesprochenen Gründen überhaupt nur in den Sinn kommt, entbehrt jeder Grundlage.

Für die Sache der Tiere einzutreten ist für eine Gesellschaft ein höchst wichtiger Wert, im selben Maße wie die Religionsfreiheit‚ denn ein diesbezüglicher Fortschritt im Umgang mit den Mitgeschöpfen läßt, frei nach Mahatma Gandhi, genauso auf die moralische Größe einer Nation schließen wie ein im human-sozialen Bereich erzielter. Wir dürfen die Sache der Tiere nicht unterordnen; es wäre ein furchtbarer Fehler, ein Fehler, welcher unsere Menschlichkeit untergräbt. „Solange es Schlachthöfe gibt, wird es auch Schlachtfelder geben“, ist ein Zitat des russischen Dichters Leo Tolstoi, welches diese These besonders treffend unterstreicht.  Noch drastischer drückte die Sicht der Dinge wohl der jüdische Nobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Isaac B. Singer aus, der feststellte: „Wo es um Tiere geht wird jeder zum Nazi. Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka.“

Anstatt eine ernsthafte Diskussion zuzulassen und sich monoton des Holzhammer-Argumentes zu bedienen, kann für einen Gelehrten Ihres Schlages nicht zufriedenstellend sein. Derartige Argumente dienen wohl eher dazu, um allfällige Kritiker von vornherein mundtot zu machen, immer im Bestreben, daß solche dann lieber still und leise sind, um nicht geradewegs ‚überfahren‘ oder gar in ein braunes Eck gedrängt zu werden. So etwas ist Ihrer unwürdig. Wir hoffen, Sie sehen die Sachlage nach kurzem Nachdenken ähnlich.

Nochmals zur Erklärung: Wir können es nicht oft genug betonen, wir als Tierschützer sind für die Tiere da, es kann und darf nicht sein, daß wir uns bei dieser ohnehin immensen Aufgabe dazu hinreißen lassen, in zwischenmenschliche Problematiken hinein zu geraten, uns in ein politisches Eck drängen oder gar einer Parteifarbe zuzuordnen zu lassen. Religiöse Belange sind nicht die unseren zu kommentieren, außer diese führen auf direktem Wege zu einem Umgang mit Tieren, welchen wir selbst nach reiflichster Überlegung nicht gutheißen können. Denn unsere Aufgabe ist es für die Mitgeschöpfe stark zu sein, gegen alle und jede/n vorzugehen, der/die die Würde der Tiere untergräbt, Tiere mißhandelt, Tieren ihre ohnehin viel zu geringen Rechte zu berauben versucht. Rassistische Untertöne haben in unserem Bestreben so gar nichts verloren, denn eine derartige Verirrung, auszumerzende Unmenschlichkeit, bringt nicht nur rein gar nichts der Sache selbst, sie macht uns unweigerlich zu schlechteren Menschen. Sind die Fronten erst einmal verhärtet und Mauern aufgebaut, braucht es zuallermeist mehr Kraft und Anstrengung, diese wieder einzubrechen um dann wenigstens auf die Grundvoraussetzungen zurückzukehren, als es zuvor benötigt hätte, um in Ruhe und im von gegenseitigen Respekt getragenen Austausch einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiß zu erzielen.

Es muß uns völlig egal sein, aus welchen Kulturkreis oder Erdteil, aus welchen Gründen oder politischen Entwicklungen Menschen Tiere schlecht behandeln, wir müssen das Problem selbst an der Wurzel packen, ohne dabei aber unsere eigene Menschlichkeit zu untergraben und schließlich unweigerlich zu verlieren. Schächten ist und bleibt in unseren Augen eine nicht gutzuheißende Praxis, und egal wer eine solche betreibt, der muß breitgefächerte Gegenwehr spüren. Aber Völker oder Religionen als Gesamtes zu verdammen - das ist das Letzte was uns je in den Sinn kommen würde - kann und darf niemals der richtige Weg sein.

Festzuhalten gilt aber ohne jede Abstriche, das betäubungslose Schlachten muß unserer Ansicht nach in allen Fälle unerlaubt sein, unwiderruflich festgeschrieben im Gesetzbuch, denn alles andere zu propagieren gleicht einem bodenlosen Verrat am Tierschutz. Ein solches Töten ist ja eigentlich laut österreichischem Gesetz sowieso von vornherein verboten, es entspricht nicht umsonst dem schrecklichen Delikt „Tierquälerei“. Das Problem aber ist, es gibt Ausnahmen, wenn selbige Handlung aus „religiösen Gründen“ geschieht. Aber Tierquälerei, so meinen wir, bleibt immer bloß Tierquälerei, auch wenn sie im Namen Gottes betrieben wird.

Wenn Sie unsere Seiten aufmerksam lesen, dann wissen Sie, wir haben uns mit der Islamischen Gemeinschaft getroffen, mit der Israelitischen Kultusgemeinde, mit dem türkischen Botschafter, und dabei immer das Gespräch gesucht. Wenn dann allerdings diesbezüglichen Bemühungen sofort von diversen Seiten als Hetze verleumdet werden, dann läuft etwas gewaltig schief. Vorbeugend, für allfällige Leser dieser Zeilen eines offenen Briefes, sollte hier eine Feststellung Platz finden, bevor man in allfälligen Foren unüberlegte Dinge von sich gibt, für die wir alle keine Zeit haben: Natürlich protestieren wir auch gegen das „normale“ Schlachten, hunderte Male, wir beschreiten jedes Jahr an den Osterfeiertagen sogar „Kreuzwege für Tierrechte“. Sie sehen, wir messen nicht mit zweierlei Maß. Es ist so wie es ist, wer nicht den Auftrag zum Töten geben möchte, der wird sich unweigerlich der pflanzlichen Nahrung zuwenden; ich denke, wer dies tatsächlich tut, es ist ein wunderbarer Schritt, welchen Gott, wie immer wir ihn auch nennen, wohl nur begrüßen kann. Denn wer dessen Schöpfung ehrt - was zweifellos im Sinne des Schöpfers liegt - der wird das möglichste tun, um Schmerz und Leid in der Tierwelt auszumerzen, zumindest weitest-möglich auszuschalten.

Wir alle dürfen sehr gespannt sein, wie eine gerechte Gottheit eines Tages richtet, wie seine Beurteilung zu dieser Problematik ausfallen wird. Der weltbekannte Komponist Richard Wagner gab hierzu vielleicht einen Denkansatz, der es wert ist, über das Gesagte zu grübeln: „Ich weiß nicht, wie der Liebe Gott einmal mein Lebenswerk bewerten wird. In den letzten Wochen habe ich über fünfzig Partiturseiten vom Parsifal geschrieben und drei jungen Hunden das Leben gerettet. Warten wir ab, was gewichtiger auf die Waagschale drücken wird.“

In einer Zeit, wo es denkbar einfach ist, sich tierleidfrei zu ernähren, ob es einst beim höchsten Gericht ein Argument sein wird, dies getan zu haben?!  Ich denke ja, denn ein Blick in unsere Schlachthöfe, egal wie auch immer dort getötet wird, muß einen gütigen Gott mit Abscheu erfüllen. Auch darüber könnte man sinnieren. Aber das Fleischessen an und für sich steht zu diesem Zeitpunkt nicht zur Diskussion. Wohl aber die Art der Fleischbeschaffung, womit wir wieder bei „unserem“ Dialog angekommen sind.

Wir werden also immer gegen Tierquälerei eintreten, völlig bedeutungslos, wie scharf der Gegenwind ist. Diese Kampagne hier wird deshalb erst dann beendet sein, wenn VOR dem Schächtschnitt eine Betäubung erfolgen MUSS, nicht erst, wie es der österr. Gesetzgeber zur Zeit vorgibt, NACH dem Schnitt! Und bitte kommen Sie nicht mit dem Totschlagargument, auch in konventionellen Schlachthöfen wachen Tiere nach der Narkose auf, denn wenn sie das tun – und leider passiert dies auch - ist es ein Verbrechen und kann und muß natürlich ebenso gewaltig und mit allen Mitteln und Konsequenzen bekämpft werden. Aber aus dem Grund, weil derartiges (ILLEGAL) passiert, kann man doch nicht – wie es viele versuchen - pauschal das betäubungslose Schlachten rechtfertigen!!! Nur deswegen, weil anderswo ebenfalls Unrecht geschieht (ich betitle beide Vorgänge mehr als bewußt als ‚Unrecht‘, weil beim konventionellen Schlachten ein Aufwachen aus der Narkose eben nicht dem Gesetz entspricht und deshalb strafbar ist, und beim betäubungslosen, siehe oben, von vornherein gesetzlich anerkannte Tierquälerei impliziert ist), wird eigenes doch nicht automatisch zum Recht.

Wenn Sie nun vielleicht denken, wir wissen gar nicht wovon wir reden, sollte noch erwähnt sein, wir haben selbst viele Schächtungen miterleben müssen. Auch wenn diese im Ausland passiert sind, sind Rückschlüsse mehr als zulässig; Schächten geschieht - Sie wissen es besser als sonst jemand - seit uralten Zeiten immer auf die gleiche Art und Weise. Ob nun in Österreich oder anderswo durchgeführt, Tieren bei vollem Bewußtsein die Kehle durchzuschneiden, läßt sich unserer Meinung nach mit den Prinzipien einer modernen Gesellschaft nicht vereinbaren. Gerade weil wir den Vorgang des öfteren selbst bezeugten, können wir aus tiefster Seele behaupten: ein unbetäubter Schlachtvorgang ist eine monströse Tierquälerei und dürfte, Ausnahmegenehmigung hin oder her, NIEMALS und unter keinen Umständen von einem Gesetzgeber genehmigt sein.

Wie gesagt, die Islamische Gemeinde oder die Israelitische Kultusgemeinde können uns gerne vom Gegenteil überzeugen, und wenn es so ist, wie ihre führenden Vertreter behaupten, nämlich daß die Tiere offensichtlich keinen Schmerz spüren, dann werden wir jegliche Anti-Schächtkampagne am selben Tag einstellen! Herr Rabbiner Hofmeister, Sie sind am Zug!

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