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Wir brauchen die Bienenwährung!

09.10.2017

Wir brauchen die Bienenwährung! Einen Bogen spannen vom Welttierschutztag zum Erntedankfest

Gedanken der süddeutschen Tierärztin und Tierschützerin Karin Ulich, Tier & Mensch e.V.

Der Welttierschutztag am 4. Oktober, dem Todestag des Heiligen Franz von Assisi, und das Erntedankfest am ersten Sonntag des Monats Oktober sind enger miteinander verbunden, als viele ahnen. Franz von Assisi ist berühmt für sein Mitgefühl für die Tiere und sein empathisches Handeln. Denn er wußte, daß sie fühlen wie wir*. Jeder, der Tiere kennt, weiß das, auch daß jedes seine Persönlichkeit und seinen eigenen Charakter hat. Es ist auch schon längst wissenschaftlich bewiesen. Daher wäre es logisch, jedem Tier ein erfülltes Leben entsprechend seinen angeborenen arteigenen Bedürfnissen zu gewährleisten, anstatt sie als Profitquelle wie Produktionseinheiten zu mißbrauchen.

Aber nicht nur unserem Verständnis für einen anständigen Umgang mit Tieren widerspricht das Zusammenpferchen von hunderten bis hunderttausenden Tieren in düsteren, stinkenden Hallen, auf deren Leiden Tierschützer am Welttierschutztag aufmerksam machen. Es geht um das Überleben auf unserer Erde!

Es reicht in der heutigen Zeit nicht mehr, beim Erntedankfest an die Feldfrüchte, an Getreide für unser tägliches Brot, an Gemüse und Obst zu denken - zu folgenreich greift die industrielle Massentierhaltung in alle Lebensgrundlagen ein. Denn in den Tierfabriken werden Tiere zu Nahrungskonkurrenten der Menschen umfunktioniert. Weidetiere, die sich ursprünglich von Gras ernährten, füttert man nun mit Getreide – besonders mit eiweißhältigem Soja.

Von Natur aus hat jedes Tier seinen Platz im Ökosystem und trägt zum Erhalt der natürlichen Vielfalt bei, solange der Tierart entsprechend kleine Gruppen und Herden auf angemessen großen Weideflächen gehalten werden. Heute sind die Rinder, Schweine, Puten, Enten und Hühner und sogar Fische auf extrem schnelles Wachstum oder Milch- bzw. Eierproduktion gezüchtet. Das geschieht einerseits auf Kosten der Gesundheit und Lebensdauer der Tiere, andererseits wird die Hälfte der weltweiten Getreideernte und etwa 90% der Sojaernte an die „Nutz“tiere verfüttert. Der intensive Getreideanbau beansprucht entsprechend große Landflächen: So bleibt in den Feldern kein Platz mehr für blühende Kräuter und Blumen. Stattdessen wachsen Monokulturen heran, die mit Kunstdünger, Gift und Unkrautvernichtungsmitteln (besonders dem krebserzeugenden Glyphosat!) behandelt werden. Für den Sojaanbau in Süd-Amerika werden in unvorstellbarem Ausmaß Regenwälder abgeholzt. Sie verschwinden mit ihrer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt für immer.

Aus dem weitaus größten Teil des Futtergetreides, das in die Ställe hineingebracht wird, entsteht Gülle - in einem Übermaß, das nicht von den Pflanzen verwertet werden kann. Es belastet die Böden und die Luft, vergiftet das Oberflächenwasser bis hinein in die Meere und sickert sogar bis ins Grundwasser, unserem Trinkwasserspeicher. 

Die Tiere in den Ställen sind zudem krank. Die harten Böden verletzten sie, ihnen fehlen das Sonnenlicht und die Bewegung. Dauerqual bedeutet Dauerstreß. Daher fehlen ihnen die Abwehrkräfte gegenüber Infektionskrankheiten. Überleben können sie nur mit häufigen Antibiotikagaben. Auf Fleisch und Eiern finden sich Krankheitskeime in gefährlichen Mengen, darunter Bakterien, die resistent geworden sind und nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Werden sie von uns Verbrauchern aufgenommen, ist das Risiko groß, daß Antibiotika versagen, wenn ein Patient sie dringend benötigt. Resistenzen führen bei mehr als 15.000 Patienten jährlich alleine in Deutschland zum Tod!

Tierprodukte sind wahrhaftig kein „Stück Lebenskraft“! Im Gegenteil, sie entziehen unserer Erde die Fruchtbarkeit, die Artenvielfalt und tragen zu einem großen Teil dazu bei, das Klima unerträglich aufzuheizen.

Es ist, als würden wir Menschen durch unsere unstillbare Gier nach materiellen Werten, Geldvermehrung und Wirtschaftswachstum die Schöpfungsgeschichte rückwärts abwickeln: Die Bienen verschwinden zusammen mit den Hummeln und Schmetterlingen, viele Vögel und Säugetiere verlieren ihre Nahrung und Lebensräume, für Wegrandblumen und -kräuter ist kein Platz mehr. Die sowieso schon überfischten Meere, eigentlich - neben den dahinschwindenden Wäldern - die wichtigste Sauerstoffquelle, verlieren mit ihrer Erwärmung die Fähigkeit, Sauerstoff zu produzieren und werden vermüllt.

So kann und darf es nicht weitergehen!

Vor 500 Jahren schlug Luther seine Thesen gegen den Ablaßhandel in Wittenberg an die Kirchentür und führte damit einen längst fälligen Wandel herbei. Auch heute wäre eine Zäsur bitter nötig. Mutige Kirchenväter und -mütter müßten diesmal nicht einmal ihr Leben riskieren. Man muß sich nur einen Ruck geben und konsequentes, umfassendes Denken zulassen, das die Ursachen der Entwicklung und ihre Folgen mit einschließt. Die Gemeindemitglieder sind bereits teilweise dank verschiedener Veröffentlichungen über die Zusammenhänge aufgeklärt und vielleicht bereit, gemeinsam den ersten Schritt zum Wandel zu gehen. Dann wären schnell Wurst und Fleisch beim Erntedankfest tabu.

Viele Kirchengemeinden haben in dieser Hinsicht in den letzten Jahren schon Verantwortungsgefühl gezeigt und die Existenz bedrohende Entwicklung zum Thema gemacht. Denn Geld und Wachstumswahn müssen nicht wie Naturgesetze anerkannt werden!

Wir sollten endlich die „Bienenwährung“ einführen: Alle Veränderungen und Pläne würden danach gewertet, ob Bienenvölker sterben oder sich vermehren können. Mit der Bienenwährung läßt sich ermessen, wir es um uns und unsere Zukunftschancen steht – dem steht die Geldwährung meist konträr entgegen. So kostet jedes in der Massentierhaltung erzeugte Tierprodukt Bienenleben, das Konto geht also ins Minus. Wer aber seinen geschorenen Rasen zu einer Blumenwiese werden läßt und ein Apfelbäumchen pflanzt, sieht sein Bienenkonto wachsen und gedeihen.

Schon Luther** sagte: „So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen!“

*Zitat von Franz von Assisi: “Gott wünscht, daß wir Tieren beistehen, wenn sie der Hilfe bedürfen. Ein jedes Wesen in Bedrängnis hat gleiches Recht auf Schutz.“

**Zitate von Luther aus seiner Genesis-Vorlesung:

 „...Denn Gott hat die Kreaturen nicht geschaffen, um sie nach der Schöpfung zu verlassen, sondern er liebt sie und erhält ein jedes nach seiner Weise...“

„...Wir sehen aber hier, was er uns für Speise schafft, nämlich Kräuter und Gewächse der Bäume. Darum glaube ich, daß unsere Leiber viel gesünder und stärker gewesen wären, wenn der Gebrauch anderer Speisen, besonders aber das Essen von Fleisch, nach der Sintflut nicht aufgekommen wäre. Denn obwohl die Erde nach dem Fall Adams verflucht und hernach durch die Sintflut sehr verderbt ist, so wäre doch die Nahrung und Speise von Kräutern viel reiner und feiner, als von Fleisch.“

Zitat von Papst Pius XII.: „Die ganze Tierwelt offenbart uns ebenso wie die ganze Schöpfung Gottes Macht, seine Weisheit und Güte. Sie verdient deshalb seitens des Menschen Ehrfurcht und Schutz. Jedes rücksichtslose Vorgehen mit Tötung der Tiere, jede Grausamkeit und unnötige Härte steht darum im Widerspruch zu einem gesunden menschlichen Empfinden. Die Rolle des Tierreichs im Schöpfungsplan besteht nicht darin, Gegenstand einer Ausbeutung irgendwelcher Art zu sein!“

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Karin Ulich, D-88138 Sigmarszell

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